“Das mache ich auf keinen Fall noch einmal”
Da war ich mir sicher! Nie wieder schwanger sein und vor allem nie wieder Wehen, Schmerz, ausgeliefert sein, Angst, ausstehen und dann ein Schreikind… Auf keinen Fall. Das waren meine Schlussfolgerungen aus meiner ersten Geburtserfahrung. Trauma hätte ich es nicht gleich nennen können, trotz meines fachlichen Hintergrundes. Ich saß da mit diesem (meinem?) Baby, unterdrückte die Tränen und schaltete auf Funktionsmodus. Die Schreie der drei anderen Frauen, die in meinen 30 Stunden Wehen alle ihre Babys geboren hatten, hallten auch noch in meinem Kopf, als ich schon zu Hause war. War ich traumatisiert?
Woran erkenne ich eigentlich ein Trauma? Wichtig zu wissen: Ein Trauma ist ein Erlebnis außergewöhnlicher Bedrohung, das bei fast jedem ein Gefühl tiefer Verzweiflung, Angst oder Hilflosigkeit auslösen würde. Doch diese Definition ist fragwürdig. Viel entscheidender ist, ob ich während des Erlebnisses verzweifelt bin, mich ausgeliefert und hilflos fühle oder starke Angst, oder?
Aber sind solche Geburten nicht normal? Ungeahnte Schmerzen, “über die eigenen Belastungsgrenze kommen”, allein gelassen werden, “reißen sie sich zusammen!”, Angst, Wehentropf ohne Einverständnis. Die Zahlen für erlebte Gewalt unter der Geburt ist erschreckend hoch.
In meiner Tätigkeit als Geburtsverarbeitungspsychologin berichten mir Frauen meistens eins oder mehrere der folgenden “Symptome”:
- Sie versuchen möglichst nicht über die Geburt zu sprechen, an sie zu denken und vermeiden es auch, den Ort wieder aufsuchen zu müssen
- Sie unterdrücken Ihre Tränen und Traurigkeit.
- Sie fühlen sich als schlechte Mutter, Versagerin und Schuldgefühle quälen sie.
- Wenn eine erneute Schwangerschaft ansteht, klopft die Angst an.
- Sie sind gereizter als früher, vielleicht schreckhafter, haben Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, vielleicht gibt es sogar Wutausbruche.
- Bilder oder kleine Filmsequenzen der Geburt können sich ungewollt aufdrängen, am Tag und in Form von Alpträumen.
- Wenn andere Frauen von ihren Geburten berichten, beschleicht oder übermannt sie ein ganz unangenehmes Gefühl und die wollen am liebsten aus der Situation fliehen.
- Gefühle des Mutterglück lassen auf sich warten.
Ich war wie gesagt irgendwie am Funktionieren. Mein Kind war eine Mischung aus high need Baby, hochsensibel und Schreibaby. Fast 9 Jahre später bin ich stolz auf das, was ich damals geschafft habe. Damals hatte ich Zweifel an mir: hatte ich meiner Tochter mit meiner Angst vor der Geburt einen gesunden Start ins Leben versaut? War der Kaiserschnitt meine Schuld?
Irgendwann wusste ich, dass ich diese Geburt verarbeiten muss und will. Für mich, für mein Kind, für unsere Beziehung, um eine bessere Mama sein zu können, um von meiner vorschwangerschaftlichen Ausgeglichenheit wieder etwas zurück zu bekommen. Und der Schritt fiel mir sehr schwer. Ich suchte mir eine kompetente Kollegin (Verhaltenstherapeutin mit Zusatzqualifikation in Hypnose und EMDR) und stellte mich meinen Gefühlen, meinen Gedanken, meinen Erfahrungen.
Und es änderte sich… wieder mehr Ruhe, mehr Geduld, eine neue Sichtweise auf das Erlebte. Frei von Schuldgefühlen. Ich wollte deswegen immer noch kein zweites Mal gebären. Doch ich wurde schwanger. 6 Jahre später. Und nun erwachte eine feste Vornahme in mir.
“Diesmal muss es besser werden. Diesmal bereite ich mich vor. Vor allem psychisch.”
Ich suchte Antworten auf die Fragen: Kann ich das Geburtserlebniss beeinflussen? Wie kam es zu dem Geburtsstillstand? Was braucht eine Geburt im Allgemeinen und was brauche ich, damit sie möglichst kurz, angenehm und selbstbestimmt ablaufen kann. Und ich fand so viel mehr Antworten als ich erhofft hatte. Ich entwickelte eine Methode, um mich zu entspannen, nutzte meine eigenen Affirmationen, baute Wissen über die Geburt auf und blieb laaaange zu Hause. Diese Geburt war meine persönlich weltbeste Geburt. Ich bestimmte über mich, ich war verbunden mit meinem Baby und in den Armen meines Mannes geborgen. Ich vertraute meinem Körper und der Natur und meiner Intuition. Ich tönte wie eine Löwenmutter die mich durchrollende Geburtskraft ohne Scham, aber voller Überraschung hinaus. Ich spürte sogar das Babyköpfchen. Bis es sich nicht mehr weiter bewegte. Trotz urkräftiger Wellen, trotz Positionswechsel. Irgendwann wusste ich, wir brauchen Hilfe. Und die gab es auch. Und diesmal war es ein für mich nachvollziehbarer Kaiserschnitt. Nichts, wofür ich mich schämen muss. Ich hatte alles getan, um eine natürliche Geburt zu ermöglichen. Die erste Untersuchung im Krankenhaus war also mit vollständig geöffnetem Muttermund und das erste Mal, dass ich einen Schmerz empfand. Die Ärztin war vom eher robusten Typ. Ich sah mein Baby gleich nach der Bauchgeburt, hörte den ersten Schrei und verliebte mich in ihn beim ersten Anblick. Ich war glücklich und bin es bis heute. Meine Beckenanatomie hatte mich zu den wenigen Frauen gemacht, die der Geburtsmedizin sehr dankbar sein darf. Ich bin dankbar, den Unterschied zwischen einer herkömmlichen und einer psychologischen/ mentalen Geburtsvorbereitung erlebt zu haben. Immerhin 5 statt 30 Stunden Wehen. Kein Schmerz statt unerträglicher Schmerz. Selbstwertgefühl statt Schuld und Scham. Jede Geburt ist zutiefst individuell. Jede Frau hat schließlich ihre ganz eigene eigene (kein Fehler!) Geburt, ganz eigene Anatomie, ganz eigenes Schmerzempfinden, findet unterschiedliche Arten zu Tönen hilfreich oder versinkt sich in Stille, tanzt oder singt lieber, ist lieber im Wasser oder an Land. Die eine entspannt sich mit Atmung, die andere über Hypnose, die dritte meistert ihre Wellen in Achtsamkeit, die vierte über den Kopf mit Affirmationen.

Aber drei Dinge sind unabdingbar für eine Traumgeburt nach einem Geburtstrauma:
- Die Verarbeitung der Traumafolgen.
- Wissen (was brauche ich, wen brauche ich, wo fühle ich mich sicher und geborgen)
- Fähigkeiten (entspannen, vertrauen, intuitiv handeln oder auch zulassen, loslassen, mitgehen)

Für mich sind diese Erfahrungen so prägend gewesen und ich sehe auch, wie der Start ins Leben meine Kinder für ihr Leben geprägt hat, dass ich den unbändigen Drang verspürte, für andere Frauen ein Angebot zusammenzustellen, dass ihnen meine unangenehmen Erfahrungen erspart oder sie genau da abholt, wo ich auch mal stand. Mit Verständnis, Wertschätzung und dem fachlichen Werkzeug im Kopf gründete ich daher BIRTHinBALANCE mit einer Weiterentwicklung der Hypnobirthing Methode, mit unkomplizierter und schneller Hilfe nach traumatischen Geburten und Möglichkeiten, das auch online zu machen. Anfangs hatte ich da Zweifel, denn ich hatte Erfahrung mit Psychotherapie in Kliniken, im ambulanten Setting, aber online? Sollte das funktionieren? Viele Sitzungen später online und vor Ort kann ich diese Sorgen beruhigt abhaken. Die Frauen haben bisher einstimmig Ihre Ziele erreicht und können unbeschwert über ihre Geburten sprechen, sich auf neue Schwangerschaften einlassen und Schuldgefühle hinter sich lassen. Die letzte Email nach dem letzten BiB Kurs zur Geburtsvorbereitung hat mich bedonders berührt. Eine Frau, die ihr erstes Kind durch Kaiserschnitt entband und wegen Beckenendlage beinahe wieder auf die Erfahrung des Gebärens hätte verzichten sollen. Sie berichtete von einer glücklichen Geburt im Geburtshaus. Nicht schmerzfrei, aber superglücklich und selbstbestimmt. Eine Erstgebärende schrieb von ihrer zweistündigen Geburt in Entspannung. Und ich bin so happy, dass ich die BiB Methode nun dieses Jahr zum ersten Mal als Ausbildung anbieten kann! Mehr Kursleiter bedeuten nämlich auch mehr Frauen, die vor Ort Zugang haben zu den wertvollen Techniken in eine glückliche Geburt–ob mit oder ohne Schmerzen, ob laut oder leise ❤️😊❤️
